Nachruf - Dr. Friedhelm Krieger †
Friedhelm Krieger wurde 1922 in Velbert in eine Architekten-Familie geboren – das sollte sein Leben prägen. Als 17-Jähriger wollte er wie seine Mitschüler kämpfen. Mit einer Lehre als Maurer und Schreiner konnte ihn sein Vater davon abhalten, freiwillig in den Krieg zu ziehen, später musste er. Vor den Russen floh er aus Dänemark direkt in die britische Kriegsgefangenschaft. Man entließ ihn als Maurer früh, denn so wurde er gebraucht. Viele kamen nie zurück – Friedhelm durfte 97 Jahre lang wirken. 1945 schrieb er sich zu seinem Architekturstudium ein. Es war die Zeit, in der es viel aufzubauen gab.
Nach Studium und ersten Jahren der Erfahrung war der BKS Turm in Velbert sein erstes stattliches Gebäude. Damals war der junge Architekt 36 Jahre alt. Auch wenn es noch kein Schwimmbad war, es ging bereits um Wasser und findige Ingenieurskunst. Velbert litt 1958 unter ständigem Wassermangel. Um den Bau des Wasserturms zu finanzieren, entschied man sich, ihn mit Sozialwohnungen zu verkleiden und auf oberster Ebene ein Panorama-Restaurant einzurichten, von wo aus man sowohl nach Düsseldorf als auch nach Essen, Oberhausen und sogar bis Dortmund Sicht haben sollte. Friedhelm Krieger fand auf alle Widrigkeiten Antworten, so dass das Wohnen unter einem Wasserbehälter mit rund 300.000 Liter sicher war und man ihm zwei Jahre später den Bau des neuen Velberter Hallenbades zutraute.
Damit war der Grundstein für seine lebenslange Spezialisierung gelegt. Von da an verantwortete er selber Planung und Bau von über 60 kommunalen Hallen- und Freizeitbädern. Junge Planer, die heute in den Planungsunterlagen sanierungsbedürftiger Schwimmbäder lesen, stoßen nicht selten auf seine Unterschrift aus den 60er und 70er Jahren.
Wer sich mit dem promovierten Dr. Krieger über Bäder unterhielt – und das passierte leicht – konnte sich seiner einnehmende Begeisterung für die Badekultur kaum entziehen. Friedhelm Krieger war körperlich nicht groß, aber seine Persönlichkeit war raumfüllend. Er war überzeugend und kämpferisch, gleichzeitig menschlich und einfühlsam.
Dr. Friedhelm Krieger war nicht nur Architekt, sondern auch Unternehmer. In beiden Rollen prägte er die Badelandschaft in Deutschland. Mit der Deutschen Sportstättenbetriebs- und Planungsgesellschaft DSBG gründete er die erfolgreiche Betreibergesellschaften für Eissporthallen, Bäder und Sportstätten, die heute für Wirtschaftlichkeit und Qualität steht. Mit der IBACO war er Generalplaner und Bauunternehmer. Als langjähriges Mitglied des technischen Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen engagierte er sich für Qualität und Normierung in seinem Fach.
Oft ging es ihm um Standardisierung. So erfand er früh einen Rechenschieber, mit dem man die Raumplanung eines kommunalen Bades auf Basis von Standortdaten „berechnen“ konnte. Er entwickelte 2,50 m breite Fertigbauteile für Schwimmbecken – vollständig gefliest – genau in der Breite der Schwimmbahnen. Als er in den 60er Jahren das private Schwimmbad des damaligen Bundespräsidenten Lübke baute, kam die Frage auf, wie wohl die Wassertiefe im Nichtschwimmerbereich sein solle. Er empfahl die Kinnhöhe der Dame des Hauses als optimales Maß. Die Kinnhöhe von Wilhelmine Lübke wurde zur Norm. Heute weiß jedes Kind, dass es ab 1,35 m ernst wird.
In dieser Zeit wurde er oft als Bäderpapst bezeichnet. Ein inoffizieller Titel, über den er selber gerne mit gewinnendem Lächeln witzelte.
Friedhelm war Pionier. Nach Öffnung der innerdeutschen Grenze engagierte er sich in Oschatz im Sozialen Wohnungsbau und trat für den Erhalt der evangelischen Kirche St. Aegidien ein. Auch durch seine Hilfe, konnte sie saniert werden. Er nahm Menschen mit. Er verstand es, ihr Potential zu erkennen und sie bei ihrer Entwicklung zu begleiten. Es war leicht, ihm zuzuhören, denn was er sagte, versprach wertvoll zu sein. Bis weit über 80 hatte er ein eigenes Büro bei KRIEGER Architekten | Ingenieure und unterstützte das Team um seinen Sohn Michael bei der Vertragsgestaltung.
Das Architektur- und Ingenieurbüro KRIEGER feierte erst letztes Jahr sein 85-jähriges Jubiläum und damit eine Historie, die deutschlandweit Schwimmen und Schwitzen auf schönste Weise möglich macht. Das Büro, das heute an zwei Standorten mit über 50 Mitarbeitern arbeitet, eröffnete gerade erst in Solingen das 250ste Bad.
Friedhelm Krieger liebte das Leben, das Feiern und die Musik. Noch zu seinem 80. Geburtstag spielte er im Quartett die erste Geige mit Bravour, Mozarts kleine Nachtmusik. Man merkte ihm die älter werdenden Finger kaum an – weil er es nicht wollte. Seine Freunde und Gäste blieben lange, gerne bis zum Ende, er ließ ihnen keine Wahl. Zu schön war es immer, um zu früh zu gehen.
Mit seinen kleinen Scherzen und seinem großen Humor zeigte er der Welt, wie positiv er dem Leben begegnete. Bis er friedlich einschlief. So war auch der Abschied ein Fest und eine große Verneigung vor seinem Lebenswerk. In einer Kapelle in Velbert, die die vielen Besucher kaum fasste, wurde die Trauer von dem beruhigenden Gefühl überlagert, dass Friedhelm Krieger sein erfülltes Leben gerne mit anderen teilte.
Wasser – In seinem Element
An diesem wunderschönen Tag im Mai 2018 können wir weit über Velbert in das hügelige Umland schauen. Wir stehen unterhalb der großen, von weitem sichtbaren BKS Buchstaben, die nun seit 60 Jahren von hier oben die Schlüsselindustrie in Velbert repräsentieren. Der BKS Turm war sein erstes Gebäude dieser Größenordnung. Damals war der junge Architekt Friedhelm Krieger 36 Jahre alt. Schnell mal im Kopf überschlagen – ja richtig: er blickt von hier aus nicht nur auf sein Velbert, sondern auch auf ein sehr langes und glückliches Leben, wie er es selber gerne beschreibt.
Auch wenn es kein Schwimmbad war, um Wasser und findige Ingenieurskunst ging es auch damals.
Velbert litt 1958 unter ständigem Wassermangel. Um den Bau des Wasserturms zu finanzieren, entschied man sich, ihn mit Sozialwohnungen zu verkleiden und auf oberster Ebene ein Panorama-Restaurant einzurichten, von wo aus man sowohl nach Düsseldorf als auch nach Essen, Oberhausen und sogar bis Dortmund Sicht haben sollte. Einen vergleichbaren Blick würde man an Rhein und Ruhr vergebens suchen.
Nun fasst der Wasserbehälter rund 300.000 Liter. Fast reflexartig denkt man da, uhh, was passiert wohl mit den Wohnungen, wenn dem Wassertank etwas zustösst, wenn er z.B. platzt? Ob man da wohnen wollte? Tatsächlich war das die erste Reaktion, auch damals schon. Die richtige Antwort zu finden, war also eine der großen Aufgaben für die Ingenieure.
Unter dem Wasserbehälter wurde ein Hohlraum mit Speirinnen nach aussen erdacht und eine zweite Stahlbetondecke sollte eingezogen werden. Soweit die Planung. Doch die eigentlich Herausforderung kam dann im Bau, erinnert sich Dr. Krieger. "Wir hatten gerade einmal die Hälfte des Tanks betoniert, als uns ein aussergewöhnlich seltenes Schneetreiben in Velbert zwang abzubrechen." Jetzt erst recht die Frage: "Bleibt das dicht?"
Während er das erzählt, zeigt er auf das Velberter Parkbad.
Man kann es von dem Rundgang neben dem Wasserbehälter ganz gut erkennen. "Das war mein erstes Hallenbad, das ich danach bauen durfte. Den Umgang mit Wasser haben mir die Velberter von da ab zugetraut ... und Michael hat das Bad Ende der 90er Jahre dann mit diesem Pylon überdacht."
Friedhelm Krieger kommt die Treppen bis zur Ebene des Restaurants nicht mehr ohne Weiteres hoch. Wir entscheiden uns, die letzten Meter ohne ihn zu machen. Versprechen ihm aber auch Aufnahmen der stillgelegten Gastronomie und von oben auf dem Wasserbehälter mitzubringen.
Wie ging es denn mit dem Wassertank weiter? "Ach ja, richtig. Wir ließen uns von einem renommierten Münchner Professor in einem Gutachten attestieren, dass wir die Nahtstelle im Beton – dort, wo wir unterbrochen hatten – von Schmutz befreien und mit Haftungsgrund bestreichen würden. Das sollte reichen."
Der ausführende Bauunternehmer legt trotzdem noch einen drauf. Um sicher gehen zu können, verkleidete er den kompletten Behälter zusätzlich von innen mit einer Spezialfolie auf eigene Kosten. "Es ist nie etwas passiert," lacht Dr. Friedhelm Krieger stolz und wirkt in diesem Moment wunderbar jung und zufrieden.